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Urteil im Radarfall

Datum: 26.02.2009

Kurzbeschreibung: 

Die 1. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen hat mit Urteil vom 26.02.2009, Aktenzeichen 1 O 181/05, die Klage eines ehemaligen Bundeswehr-Soldaten gegen die Bundesrepublik Deutschland abgewiesen.

Der Geschädigte war zwischen 1967 und 1973 als Fernmelde-Radarmechaniker am Standort Meßstetten an einem von bundesweit zwölf Höhensuchradargeräten AN-MPS-14 tätig. Es war bekannt, dass beim Betrieb dieser Geräte eine ionisierende Strahlung auftritt (sog. Röntgenstörstrahlung). Der Geschädigte erkrankte 1998 an Leukämie und 2007 an Prostatakrebs. Er ist im Mai 2008 verstorben. Die Klage wurde von seiner Ehefrau und seiner Tochter fortgeführt. Sie sind der Meinung, die Bundesrepublik habe es vorsätzlich unterlassen, die Soldaten vor den Gefahren der Röntgenstörstrahlung zu schützen. Mit der Klage begehrten sie ein Schmerzensgeld und Ersatz des materiellen Schadens, der über den Betrag von rund 264.000,00 € hinausgeht, den die Bundesrepublik in den Jahren 2004 und 2005 als Wehrdienstentschädigung gezahlt hat.

Die Zivilkammer konnte keine vorsätzliche Pflichtverletzung der Bundesrepublik feststellen. Eine vorsätzliche unerlaubte Handlung wäre aber erforderlich gewesen, weil § 91a des Soldatenversorgungsgesetzes die Haftung des Bundes für Schäden, die über nach diesem Gesetz gezahlte Entschädigungen hinausgehen, auf Vorsatz beschränkt. Diese Haftungsbeschränkung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungskonform, da sie als Ausgleich dafür zu sehen ist, dass die Wehrdienstentschädigung nach dem Soldatenversorgungsgesetz gegenüber der allgemeinen Schadensersatzhaftung unter deutlich erleichterten Voraussetzungen gezahlt wird.

Ihre Feststellungen stützt die Zivilkammer auf ein von ihr beim ehemaligen Leiter des Geschäftsbereichs Sicherheit und Strahlenschutz am Forschungszentrum Jülich, Dr. Ralf Hille, eingeholten Sachverständigengutachtens, der Aussagen von fünf Zeugen, die die Kammer gehört hat und auf zahlreiche schriftliche Dokumente, die zwischen 1958 und 1966 verfasst worden sind. Die Bundesrepublik hat danach zwar Anfang der 60er-Jahre erfahren, dass von ihren Radargeräten Gefahren durch eine sog. Röntgenstörstrahlung für das Bedien- und Wartungspersonal ausgehen. Als der Kläger im Juli 1967 seinen Wehrdienst antrat, hatte sie nach den Feststellungen der Kammer aber Maßnahmen ergriffen, die zumindest eine vorsätzliche Pflichtverletzung ausschließen.

Maßgebend war für die Kammer, dass externe und interne Stellen, wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt Braunschweig oder die Erprobungsstelle 53 der Bundeswehr, zwischen 1958 und 1966 übereinstimmend die Empfehlung ausgesprochen hatten, es genüge, auf dem am stärksten strahlenden Bauteil, dem sog. Magnetron, eine Bleiabschirmung anzubringen, um die Soldaten vor Gefahren zu schützen. Nach dem Ergebnis der Zeugenvernehmung ist die Bundesrepublik dieser Empfehlung am Standort Meßstetten während der Dienstzeit des Klägers nachgekommen. Anhaltspunkte dafür, dass die Bundesrepublik in jener Zeit gewusst haben könnte, dass diese Maßnahme nicht ausreicht, konnte das Gericht nicht feststellen.

Ob die Erkrankung und der Tod des Klägers tatsächlich durch die Röntgenstörstrahlung des Höhensuchgerätes verursacht worden ist, musste die Kammer ebenso wenig untersuchen wie die Frage, ob die Bundesrepublik in den 60er- und 70er-Jahren alle Maßnahmen ergriffen hat, die aus damaliger bzw. aus heutiger Sicht zum Schutz der Soldaten objektiv erforderlich waren.

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